Naugard und die Grafen von Eberstein


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Wann Pommern zuerst von Menschen besiedelt wurde, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten Ostgermanen über die Ostsee gelangten und sich von Hinterpommern weiter nach Westen ausbreiteten.

Bis in die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts saßen die germanischen Stämme in ihren Sitzen an der Ostseeküste. Bald darauf begann die große Wanderung, die sie aus diesen Gebieten entfernte. Die Ursachen der großen Bewegung, welche die ostgermanischen Stämme ergriff, waren zum Teil wirtschaftlicher Natur.

Das Ergebnis der großen Jahrhunderte dauernden sogenannten Völkerwanderung in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten war, dass der östliche Teil des alten Germaniens entvölkert wurde.

Von Osten wanderten unter Einschmelzung der germanischen Restbevölkerung andere Volksstämme, die Slawen ein, die sich während des 5. Jahrhunderts n.Chr. in Pommern festsetzten und das Küstenland friedlich erschlossen.

Die Slawen waren sechs Jahrhunderte in dem Land ansässig. Sie wurden nach ihren Wohnsitzen Pomoranen, d.h. Anwohner des Meeres genannt und gaben dem Land den Namen. Die Pomoranen waren also slawischer Herkunft, aber den Nordgermanen kulturell nahestehend.

Solche Pomoranen waren es, die auf einer Landenge zwischen zwei Seen, dem heutigen Gebiet von Naugard, eine Siedlung anlegten und sich bei Gefahr auf einer in den kleinen See vorgelagerten Halbinsel zurückzogen.

Das "castrum Naugard" begegnet uns urkundlich erst im Jahre 1268, in dem es mit dem dazugehörenden Flecken als Besitz des Bischofs von Cammin, Hermann von Gleichen, genannt wird.

Die Landesherrschaft übte zunächst der Bischof von Cammin aus und von 1274 an die Grafen von Eberstein als ihre Lehnsleute.

Das Grafengeschlecht der Ebersteiner war zwischen Hameln und Holzminden in Niedersachsen ansässig. Konrad der VI. von Eberstein wurde von den Welfen, die mit ihm in Kämpfe verwickelt waren, im Jahre 1257 in Braunschweig hingerichtet. Seine Frau zog mit ihren vier Kindern zu ihrem Bruder, dem Bischof von Cammin. Die Kinder hießen: Albert, Ludwig, Otto und Berhard. Graf Otto von Eberstein wurde 1274 durch seinen Onkel, den Bischoff von Cammin, mit Naugard, Massow und Gülzow belehnt. Nach der alten Belehnungsurkunde gehörten dazu Burg und Flecken Naugard, Langkafel, Minten, Zickerke, Döringshagen, Glietzig und Düsterbeck. Später kamen hinzu Gross-Sabow, Kartzig und Maskow.

Man kann mit Sicherheit annehmen, dass die Grafen von Eberstein aus ihrer niedersächsischen Heimat Ritter, Bauern und Handwerker mitbrachten, die hier siedelten. Urkunden über diese Bewegung gibt es nicht. Man kann es aber aus einer Reihe von Tatsachen folgern, z.B. die Marienkirche hat einem dem Schiff vorgestellten Turm, dieses war die Art, mit der die Sachsen ihre Turmprobleme lösten. Auch gleichlautende Familiennamen von Bauern, die es um Naugard und auch an der Weser gab, wie Struck, Beilke und Siewert,

Die Naugarder Burg haben wir uns in dieser Zeit schon als steinernes von deutscher Hand errichtetes Gebäude zu denken. Dies wird bestätigt durch den einzigen Rest des mittelalterlichen Hauses, der erhalten geblieben ist. Ein aus Kalkstein gearbeitetes Kapitell, das in seiner Formgebung auf der Grenze romanischer und gotischer Kunst, an die Kapitelle des Klosters Kolbatz im Kreis Greifenhagen erinnert.

Dieses mittelalterliche Schloss wurde im Laufe des 16. Jahrhunderts von dem Grafen Ludwig von Eberstein –er starb 1590- durch einen Bau in Renaissanceformen ersetzt.

Als das Ebersteinsche Haus 1663 mit dem Tod des letzten Grafen Christoph Ludwig ausstarb, war das neue Schloss verfallen. Der Herzog von Croy, der letzte Verwandte der Ebersteiner, hat das Schloss nie bewohnt. Stadt und Schloss wurden 1675 von den Schweden unter Wrangel zerschossen. Als der Herzog von Croy 1684 starb, wurde aus der Grafschaft ein kurfürstliches Amt, und das Schloss wurde Sitz der Amtsverwaltung. Es hieß fortan "Amt Naugard".

Die Ebersteiner regierten das Land Naugard von 1274 bis 1663, also 389 Jahre. Als Erinnerung an sie gab es in Naugard die Graf-Eberstein-Straße, die Eberstein Kapelle und das Dorf Eberstein. An das kurfürstliche Amt erinnerten die Amtsstraße und die Burgstraße.

Was geschah nun in Naugard während der langen Jahre der Herrschaft der Grafen von Eberstein. Nach dem erprobten in fast ganz Pommern gleichen Plan, wurden die Straßen in rechtwinkeliger Kreuzung abgesteckt. Für Marktplatz und Kirche wurden zwei benachbarte Vierecke freigelassen. Es entstanden strohgedeckte Fachwerkhäuser. Graf Otto von Eberstein erfreute sich großen Ansehens im Lande. Die eingewanderten Deutschen hatten mit der Dreifelderwirtschaft, die sie von daheim kannten, begonnen.

Am 30. April 1309 erhielt Naugard das Lübische Recht als deutsche Stadt. Das erste Stadtprivileg wurde an diesem Tag auf dem Naugarder Markt verkündet.

1325 fand der erste Gottesdienst in der noch unfertigen St. Marienkirche statt. Im Jahre 1334 war sie vollkommen fertiggestellt.

Die Naugarder waren bis zur Einführung der Reformation durch Bugenhagen im Jahre 1534 katholisch.

Unruhige Zeiten folgten. Das Bistum Cammin verlor seine politische Macht. Handel und Wandel in der Stadt hatten darunter zu leiden. Dazu lähmte eine Pestepidemie in den Jahren 1348-1350 das gesamte bürgerliche Leben. Danach konnte die Stadt den so notwendigen Bau der Ringmauer vollenden. Die äußeren Wirren hinderten die Ebersteiner nicht, für das Wohl ihrer Stadt zu sorgen. Die meisten Einwohner lebten vom Ackerbau, aber auch das Handwerk war vertreten. Zahlreiche Feuersbrünste machten den Einwohnern zu schaffen. Im Jahre 1550 wurde mit Unterstützung des Grafen und unter persönlicher Anregung Bugenhagens in Naugard die erste Schule errichtet. Um das Jahr 1590 hatte Naugard fünfhundert Einwohner, achtundneunzig Giebelhäuser und neun Buden.

Dann kam der Dreißigjährige Krieg, der auch Naugard trostlose Zustände brachte.

Bis zum Aussterben des Ebersteiner Grafengeschlechtes 1663 wurde die Grafschaft Naugard im Laufe einer wechselvollen Geschichte durch Gebietserweiterungen beträchtlich vergrößert. Ein höherer Wohlstand ist dem damaligen Städtchen nicht beschieden gewesen. Es war auf den Schutz und die Förderung der Grafen angewiesen. Damit verbunden war aber auch die völlige Abhängigkeit vom Haus Eberstein.

Es sollte aber nicht vergessen werden, dass die Herrschaft der Ebersteiner für die Stadt Naugard viel Gutes bewirkt hat.